“Der deutsche Anschlag auf die Souveränität”

Freitag, den 11. Dezember 2015, um 19 Uhr
Chachachicas, Hasenheide 9, 10967 Berlin

Der deutsche Anschlag auf die Souveränität

Für miesepetrigen Defätismus in der Flüchtlingsdebatte

Mit David Schneider und Justus Wertmüller

Gegen frei­wil­li­ge Hilfe für Flücht­lin­ge, auch in gro­ßem Aus­maß, wäre zu­nächst noch nichts ein­zu­wen­den – die Art und Weise aber, wie diese Hilfe als „Will­kom­mens­kul­tur“ in­sze­niert wird, kenn­zeich­net das Ganze als kal­ku­lier­te Ge­sin­nungs­po­li­tik. Es gilt, wie einst schon bei den Lich­ter­ket­ten, beim „Auf­stand der An­stän­di­gen“ gegen die Pe­gi­da-De­mons­tra­tio­nen, „ein Zei­chen zu set­zen“. Es ging in Wirk­lich­keit nie um Flücht­lin­ge, die sind le­dig­lich das Ma­te­ri­al, an­hand des­sen ur­deut­sche Be­find­lich­kei­ten aus­a­giert und ku­riert wer­den sol­len: Das, was seit dem Som­mer in Deutsch­land ab­läuft, ist ein wei­te­rer Akt im Schmie­ren­thea­ter­stück „Ler­nen aus der Ge­schich­te“.

Auch in einer an­de­ren und ent­schei­den­den Hin­sicht ist „Will­kom­mens­kul­tur“ das glat­te Ge­gen­teil von ein­fa­cher Gast­freund­schaft. Gast­freund­lich zu sein setzt vor­aus, dass man einem Gast, einem Frem­den etwas vor­zu­wei­sen, etwas zu zei­gen hat und das auch un­be­dingt möch­te, dass man ihn ein­lädt, die ei­ge­ne Le­bens­wei­se mit ihm zu tei­len. Und das un­ter­stellt wie­der­um, dass man die ei­ge­ne Le­bens­wei­se — um nicht gleich hoch­tra­bend und falsch von „Wer­ten“, „Kul­tur“ etc. zu spre­chen — wert­schätzt, eine sub­stan­ti­el­le An­schau­ung von ihr hat und damit zu jener Selbst­lie­be fähig ist, die die Vor­aus­set­zung für alle Groß­zü­gig­keit ist. Man könn­te sich im­mer­hin vor­stel­len, dass die Deut­schen die Tat­sa­che, dass so viele Flücht­lin­ge aus­ge­rech­net in ihr Land wol­len, als Be­stä­ti­gung einer ei­ni­ger­ma­ßen auf­ge­klär­ten, sä­ku­la­ren und rechts­staat­lich ga­ran­tier­ten Le­bens­wei­se ver­ste­hen, die of­fen­bar von vie­len als so at­trak­tiv an­ge­se­hen wird, dass sie den au­to­chtho­nen Mör­der­ban­den und Hals­ab­schneid­er­re­gimes da­von­lau­fen. Würde man dies den Flücht­lin­gen pau­schal un­ter­stel­len, dann würde auch unter den Flücht­lin­gen schnell sicht­bar wer­den, wer unter ihnen der mit­rei­sen­de dji­ha­dis­ti­sche Flucht­grund für die an­de­ren ist.

Aber von die­ser Selbst­lie­be kann keine Rede sein, nicht mal in der de­pra­vier­ten und bor­nier­ten Form eines Na­tio­nal­stol­zes, die we­nigs­tens eine Be­haup­tung dar­stel­len würde, son­dern im Ge­gen­teil: blan­ker Selbst­hass, die Be­stä­ti­gung der ban­gen Ah­nung, dass die Flücht­lin­ge die Quit­tung oder die Stra­fe für die „Schuld“ des Wes­tens oder Deutsch­lands sind, die wir jetzt tätig ab­ar­bei­ten, indem wir ihnen die Ge­bets­tep­pi­che aus­rol­len und ihnen kul­tu­rell an­ge­pass­tes Essen ser­vie­ren. Die Deut­schen ste­hen mit ihrer Selbst­in­sze­nie­rung als die Welt­meis­ter der Will­kom­mens­kul­tur nur an vor­ders­ter Front des eu­ro­päi­schen Mas­sen­be­wusst­seins, das von Zu­kunfts­lo­sig­keit, Zi­vi­li­sa­ti­ons­mü­dig­keit und Selbst­hass um­ge­trie­ben wird, der sich im selbst­ge­rech­ten Kul­tur­dün­kel aus­drückt, in der wahl­lo­sen Ver­göt­zung von allem, was sich als Kul­tur an­preist und was in den meis­ten Fäl­len be­reits der sim­pels­ten Vor­stel­lung von Kul­tur Hohn spricht.

Zur An­prei­sung der „Will­kom­mens­kul­tur“ ge­hört des­halb der wie eine un­ver­han­del­ba­re Heils­ge­wiss­heit vor­ge­tra­ge­ne Satz, dass durch den mas­sen­haf­ten Zu­strom von Flücht­lin­gen „das Land sich än­dern werde“. Die Frage, warum das an­ge­sichts der ak­tu­el­len Zu­wan­de­rung ei­gent­lich so drin­gend ge­bo­ten sein soll, spricht kei­ner aus. Gäbe es noch einen Fun­ken von Selbst­ge­wiss­heit oder Selbst­ver­trau­en in Deutsch­land und über­haupt in Eu­ro­pa, dann würde nur eine Min­der­heit ge­ra­de in einer ve­ri­ta­blen Krise den Flücht­lin­gen an­die­nen, qua ihnen von „uns“ je­der­zeit un­ter­stell­ter und viel­fach be­stimmt vor­han­de­ner Be­fan­gen­heit in der rück­stän­di­gen und ge­walt­tä­ti­gen Kul­tur ihrer Her­kunfts­län­der hier Schick­sal zu spie­len. Weil man neu Hin­zu­ge­kom­me­nen dann klar sagen würde, was sie in ihrem neuen Land er­war­tet, wie der Laden hier läuft, was man von ihnen will und was nicht. Be­stim­mun­gen vor­zu­neh­men heißt gleich­zei­tig Gren­zen zu set­zen – und Gren­zen meint nicht nur staat­li­che, son­dern die Gren­zen im täg­li­chen Zu­sam­men­le­ben: kein Ge­gen­re­gime from­mer Er­pres­ser, kein Kar­ne­val der Kul­tu­ren. Und das heißt, selbst­ver­ständ­lich auch: wer nicht mit­spie­len möch­te, der soll weg­blei­ben. Eine sol­che Be­stim­mung wäre eine ganz selbst­ver­ständ­li­che und kei­ner Recht­fer­ti­gung be­dürf­ti­ge mensch­li­che Re­gung. Es ist um­ge­kehrt die deut­sche Staats­an­ti­fa im Zu­sam­men­spiel mit den post­mo­der­nen Ra­ckets, die be­reits das Be­stim­men und Un­ter­schei­den, das Äu­ßern von Vor­lie­ben und Ab­nei­gun­gen, mit wem man möch­te und mit wem nicht, pau­schal unter den Ver­dacht der Aus­län­der­feind­lich­keit oder des Ras­sis­mus stel­len.

Quelle: Bahamas-Website

 

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